Für Fachpersonal:
Anti-Vertigo-Medikamente (AVM) wie Betahistin sind trotz begrenzter Wirksamkeitsnachweise in der Allgemeinmedizin weit verbreitet. Besonders problematisch: Ein erheblicher Teil der Verordnungen erfolgt langfristig – auch ohne klare vestibuläre Diagnose. Eine aktuelle Studie aus den Niederlanden liefert nun erstmals systematische Daten zur Häufigkeit und Verordnungsdauer in der hausärztlichen Versorgung.
Studiendesign:
- Design: Retrospektive Kohortenstudie (Routine-Datenanalyse)
- Datenbasis: >1,2 Mio. Patient:innen aus 269 Hausarztpraxen (NL, 2018–2021)
- Einschluss: Erwachsene mit vestibulären Symptomen und/oder AVM-Verordnungen
- Hauptzielgrößen: Häufigkeit & Dauer von AVM-Verordnungen, Prädiktoren für Langzeittherapie
Zentrale Ergebnisse
- Von 73.650 Patient:innen mit vestibulären Beschwerden erhielten 6.172 (9,2 %) eine AVM-Verordnung.
- Davon waren 32 % langfristig verordnet.
- 88 % der Behandelten hatten keinen Morbus Menière, dennoch war Menière mit Langzeitverordnung assoziiert.
- Höheres Alter erhöhte die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen AVM-Therapie.
- Patienten mit gutartigem Lagerungsschwindel (BPLS) oder unspezifischem Schwindelgefühl erhielten seltener Langzeitverordnungen.
- Städtisch geprägte Hausarztpraxen verschrieben seltener dauerhaft.
Fazit für die klinische Praxis
- AVM wie Betahistin werden häufig off-label und ohne gesicherte Indikation verschrieben.
- Der hohe Anteil langfristiger Verordnungen deutet auf eine strukturelle Übertherapie hin – gerade bei unspezifischem Schwindel oder BPLS.
- Vestibuläre Diagnostik und gezielte vestibuläre Rehabilitation werden in der hausärztlichen Versorgung bislang kaum genutzt.
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Für Patient:innen – einfach erklärt
Medikamente gegen Schwindel auf Dauer? Warum das nicht hilft – und was Sie besser tun können
Viele Menschen mit Schwindel erhalten vom Hausarzt sogenannte Anti-Schwindel-Medikamente – z. B. Betahistin. Eine neue Studie aus den Niederlanden hat nun untersucht, wie häufig diese Mittel verschrieben werden – und ob sie wirklich sinnvoll sind.
Was kam heraus?
- Von über 73.000 Patient:innen mit Schwindel bekamen rund 6.000 ein Medikament gegen Schwindel.
- Ein Drittel davon nahm es dauerhaft ein – oft ohne klare Diagnose wie Morbus Menière.
- Besonders ältere Menschen bekamen häufiger langzeitig Schwindelmedikamente.
- Wer nur leichten oder lagerungsbedingten Schwindel hatte, bekam seltener langfristig Medikamente.
- In Großstädten wurde vorsichtiger verschrieben.
Warum das problematisch sein kann
- Für viele dieser Medikamente – etwa Betahistin – gibt es keinen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis.
- Sie können Nebenwirkungen haben und die eigentliche Ursache wird oft nicht erkannt oder behandelt.
- Gerade bei gutartigem Lagerungsschwindel oder Gleichgewichtsstörungen sind Befreiungsmanöver und gezielte Bewegungstherapie („vestibuläre Rehabilitation“) das Mittel der Wahl.
Was Sie tun können
Nehmen Sie regelmäßig ein Medikament gegen Schwindel?
→ Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt, ob die Behandlung noch notwendig ist.
Lassen Sie den Schwindel gezielt untersuchen – womöglich liegt eine behandelbare Ursache wie ein gutartiger Lagerungsschwindel vor.
Es gibt speziell geschulte Therapeut:innen, die solche Beschwerden ohne Medikamente behandeln können.
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Diese Therapiemaßnahmen werden von unseren IVRT® Schwindel- und Vestibulartherapeut:innen angeboten.
Fazit
Medikamente gegen Schwindel sind weit verbreitet – aber oft nicht nötig. Eine genaue Diagnose und gezieltes Training bringen in vielen Fällen mehr Besserung als Medikamente. Holen Sie sich Rat bei spezialisierten Fachpersonen – für eine sichere und wirksame Behandlung.
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