Vestibuläre Erkrankung
Vestibuläre Migräne
Diese Informationen sind als allgemeine Einführung in dieses Thema gedacht. Da jeder Mensch anders von Gleichgewichts- und Schwindelproblemen betroffen ist, solltest du mit deinem Arzt oder deiner Ärztin sprechen, um dich individuell beraten zu lassen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet und auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Die in dieser Patienteninformation verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Was ist vestibuläre Migräne?
Wenn du an „Migräne“ denkst, denkst du wahrscheinlich an pochende Kopfschmerzen, die dich einschränken. Aber wenn du an wiederholten Schwindelanfälle und anderen vestibulären Symptomen ohne Kopfschmerzen leidest, kann es sein, dass du eine vestibuläre Migräne (VM) hast. VM-Anfälle können das alltägliche Leben stark beeinträchtigen.
„Vestibulär“ bezieht sich auf die Bewegungssensoren im Innenohr und den Teil des Gehirns, der die Signale der Sensoren interpretiert. Die Sensoren und das Gehirn steuern das Gleichgewicht und die Wahrnehmung des Raumes um dich herum. Wenn diese Sensoren nicht richtig funktionieren oder das Gehirn die Signale falsch interpretiert, kann es zu Drehschwindel, Gleichgewichtsstörungen oder Schwindelanfällen kommen.
Eine Vorgeschichte von Migränekopfschmerzen mit oder ohne Aura (vorübergehende und reversible neurologische Störungen) geht der vestibulären Migräne normalerweise voraus. Die meisten Menschen entwickeln vestibuläre Migräne nach jahrelangen oder sogar jahrzehntelangen Migränekopfschmerzen. Allerdings tritt bei 3 von 10 Menschen eine vestibuläre Migräne ohne eine Vorgeschichte von Migränekopfschmerzen.
Vestibuläre Migräne ist die häufigste Ursache für wiederkehrende, spontane Schwindelanfälle, die Minuten bis mehrere Tage andauern. Spontan bedeutet, dass sie ohne offensichtlichen Grund plötzlich auftreten. Vestibuläre Migräne ist nach BPLS (benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel) und Persistierender postural-perzeptiver Schwindel (PPPD) die dritthäufigste Ursache für Schwindel. Obwohl vestibuläre Migräne relativ häufig vorkommt, wird sie immer noch zu selten diagnostiziert und behandelt.
Um VM-Schwindelattacken zu definieren, beschreiben Patienten ein Gefühl von Bewegung, wenn keine Bewegung stattfindet, oder ein verändertes Bewegungsempfinden bei normaler Bewegung. Die Patienten beschreiben dies auf verschiedene Weise, z. B. als ein Schaukel- oder Schwankgefühl, ein Drehgefühl oder das Gefühl, dass sich der Boden bewegt.
Etwa 1 von 100 Menschen entwickelt im Laufe ihres Lebens eine vestibuläre Migräne. Vestibuläre Migräne tritt am häufigsten in der Lebensmitte auf, kann aber in jedem Alter vorkommen. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 37 Jahren für Frauen und 42 Jahren für Männer. Vestibuläre Migräne betrifft etwa 10% aller Menschen, die unter Migräne leiden.
Frauen erkranken 5-mal häufiger an vestibuläre Migräne als Männer. Die Episoden könnten mit dem Menstruationszyklus zusammenhängen.
Menschen mit einer Vorgeschichte des benignen paroxysmalen Schwindels in der Kindheit haben ein erhöhtes Risiko, an vestibuläre Migräne ohne Migränekopfschmerzen zu erkranken.
Viele Menschen mit vestibulärer Migräne hatten als Kind Reisekrankheit beim Autofahren und leiden auch als Erwachsene unter der Reisekrankheit.
Etwa die Hälfte der Menschen mit vestibulären Migräne hat komorbide (gleichzeitig) psychische Störungen wie Stimmungsschwankungen, Angstzustände und Depressionen.
Vestibuläre Migräne ist oft eine chronische Erkrankung. Eine Studie zeigte, dass bei fast 30 % der Menschen mit vestibulären Migräne die Häufigkeit der Episoden über einen Beobachtungszeitraum von 9 Jahren zunahm, wobei sie bei fast 50 % abnahm. In derselben Studie berichteten 90 % der Menschen mit vestibulären Migräne auch nach 9 Jahren noch von Episoden.
Vestibuläre Migräne ist der international anerkannte Begriff für diese Störung. Manche nennen sie auch migräneassoziierter Schwindel, migränebedingter Schwindel oder seltener migränebedingte Vestibulopathie.
Zusammenfassung
- Wiederholte Schwindelanfälle, meist ohne gleichzeitige Kopfschmerzen.
- Ist die häufigste Ursache für wiederkehrende, spontane Schwindelanfälle.
- Vestibulären Symptome umfassen Drehschwindel, Gangunsicherheit sowie durch Kopfbewegungen und visuelle Reize ausgelöster Schwindel.
- Schweregrad und Kombination der Symptome variieren in der Regel von Anfall zu Anfall.
- Die Anfälle dauern in der Regel mehrere Stunden bis Tage und können das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen.
- Manchmal ähneln die Symptome anderen Erkrankungen, wodurch die Diagnose erschwert wird.
- Die vestibuläre Migräne wird oft nicht erkannt oder falsch diagnostiziert.
- In der Regel kann nur ein Facharzt, der mit vestibulärer Migräne vertraut ist, eine genaue Diagnose stellen.
- Die Behandlung umfasst das Vermeiden von Auslösern, Lebensstiländerungen und die Einnahme von Medikamenten, um Anfälle zu vermindern.
- Eine vestibuläre Rehabilitation sollte ausprobiert werden, aber erst, wenn die Anfälle gut kontrollierbar sind.
Wodurch wird vestibuläre Migräne verursacht?
Migräne ist ein neurovaskulärer Kopfschmerz. Dies bedeutet, dass er durch eine Störung der Nerven oder Blutgefäße im Gehirn ausgelöst werden kann. Alle Migräneformen werden durch die gleiche Art von Neurotransmitter-Dysregulation verursacht. Neurotransmission ist der Prozess, bei dem das Gehirn Signale aufnimmt und darauf reagiert.
Forscher sind sich nicht sicher, wodurch vestibuläre Migräne verursacht wird. Einige Studien deuten darauf hin, dass eine abnorme Freisetzung von Überträgerstoffen (Neurotransmittern) im Gehirn eine wichtige Rolle spielen könnte. Auch die Genetik könnte eine Rolle spielen. Etwa 80 % der Menschen, die an Migräne leiden, berichten von einer familiären Vorgeschichte dieser Krankheit.
Bei einigen Menschen scheint es eine Verbindung zwischen vestibulären Migräne und anderen peripheren vestibulären Störungen, wie z.B. mit dem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS) und Morbus Menière, zu geben. Der Zusammenhang zwischen diesen Störungen und der vestibulären Migräne ist kompliziert und noch nicht vollständig geklärt.
Viele Experten sind inzwischen der Meinung, dass Morbus Menière und die vestibuläre Migräne zum gleichen Spektrum gehören. Ärzte neigen dazu, vestibuläre Migräne zu diagnostizieren, wenn eine Person zunächst an Migräne leidet und dann später Schwindel entwickelt. Die Diagnose Morbus Menière wird eher gestellt, wenn eine Person von Anfang an an Schwindel mit Hörverlust leidet und wenn diese Anfälle eher „kurz und heftig“ sind.
Manche Menschen können gleichzeitig eine periphere Gleichgewichtsstörung und vestibuläre Migräne haben.
Vestibuläre Symptome der vestibulären Migräne während eines Anfalls umfassen:
- Spontaner (ohne offensichtliche Ursache auftretender) Schwindel, mit entweder einer falschen Wahrnehmung der Eigenbewegung oder dem Gefühl, dass sich die Umgebung dreht. Eine Person mit vestibulärer Migräne kann das Gefühl haben, dass sich der Boden bewegt. Oft wird auch ein Schwankschwindel beschrieben.
- Lagerungsschwindel, der durch eine Veränderung der Kopfposition ausgelöst wird. Die Patienten beschreiben ein Gefühl des Drehens. Dies ähnelt manchmal dem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS). Der VM-Schwindel tritt jedoch in der Regel bei jeder Bewegung des Kopfes auf, nicht nur bei einer bestimmten Veränderung der Kopfposition. Die Situation wird weiter dadurch verkompliziert, dass Patienten mit Migräne eher BPPV entwickeln als solche ohne Migräne. Wenn der bewegungsinduzierte Schwindel nach ein paar Tagen von selbst wieder verschwindet und nicht mit Befreiungsmanövern behoben werden kann, handelt es sich höchstwahrscheinlich um vestibuläre Migräne.
- Visuell induzierter Schwindel, ausgelöst durch einen komplexen oder großen, sich bewegenden, visuellen Reiz.
- Kopfschmerzinduzierter Schwindel, der bei jeder Bewegung des Kopfes auftritt.
- Übelkeit, die durch jede Kopfbewegung ausgelöst oder verschlimmert wird.
- Das Gefühl einer gestörten räumlichen Orientierung. Viele Patienten beschreiben, dass sie das Gefühl haben, die Welt stehe schief, sie seien von ihrem Körper getrennt oder der Boden falle unter ihnen weg.
- Gangunsicherheit und Gleichgewichtsstörungen
- Taubheitsgefühl oder Kribbeln
- Übermäßige Anfälligkeit für Reisekrankheit
- Konzentrationsschwierigkeiten, manche Patienten beschreiben dies auch als „Wattegefühl im Kopf“
- Sprechstörungen
- Vorübergehender schwankender Hörverlust
- Völlegefühl im Ohr
- Tinnitus
- Empfindlichkeit gegenüber Licht (Photophobie), Geräuschen (Phonophobie) und/oder Gerüchen (Osmophobie)
- Extreme körperliche Müdigkeit oder Schwäche (Prostration)
- Nackenschmerzen
- Sehstörungen, einschließlich Lichtblitzen, blinden Flecken, doppelter oder verschwommener Sicht (für manche Menschen sind dies die Vorboten für einen VM-Anfall)
Die oben genannten Symptome variieren von Person zu Person und von Anfall zu Anfall. Die Symptome variieren auch in ihrer Schwere. Es können bei einem Anfall auch nur ein oder aber auch mehrere Symptome auftreten.
VM-Schwindel kann vor, während oder nach den Kopfschmerzen auftreten. Es scheint kein einheitliches Muster zu geben. Er variiert von Person zu Person und von Attacke zu Attacke, sogar bei ein und derselben Person. Es wäre ungewöhnlich, wenn man während des Anfalls gleichzeitig Kopfschmerzen und Schwindel hätte. Und bei fast 30 % der VM-Attacken treten überhaupt keine Kopfschmerzen auf.
Die Dauer der Anfälle variiert stark:
- 30 % haben Anfälle, die nur Minuten dauern.
- 30 % haben stundenlange Attacken.
- 30 % haben Anfälle über mehrere Tage. Bei einigen Betroffenen kann es bis zu einem Monat dauern, bis sie sich vollständig von einem Anfall erholt haben. Der eigentliche Anfall dauert jedoch selten länger als 72 Stunden.
- 10 % haben Anfälle, die 10 Sekunden oder weniger dauern. Sie treten meist wiederholt bei Kopfbewegungen, visuellen Reizen oder nach Veränderungen der Kopfposition auf. Die Länge der Episoden ist definiert als der Gesamtzeitraum, in dem sich die kurzen Anfälle immer wieder wiederholen. Diese flüchtigen Anfälle können sehr beunruhigend sein, besonders für Patienten mit Angstzuständen.
Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass vestibuläre Migräne auch chronisch sein kann. Manche Patienten berichten, dass ihnen an den meisten Tagen im Monat schwindelig ist. Es gibt jedoch nur wenige wissenschaftliche Daten über chronische VM.
Diagnose der vestibulären Migräne
Es gibt keinen Test oder bildgebende Verfahren, welche „positiv für vestibuläre Migräne“ sind. Tests können lediglich helfen, andere vestibuläre Störungen auszuschließen. Die Diagnose basiert auf der Krankengeschichte des Patienten und den Diagnosekriterien.
Nach einem ersten Besuch beim Hausarzt, wirst du wahrscheinlich an einen auf Migräne oder Schwindel spezialisierten Neurologen überwiesen. Diese spezialisierten Ärzte werden eine gründliche Anamnese erheben, eine neurologische Untersuchung und verschiedene Tests, um die Funktion deines vestibulären Systems zu beurteilen, durchführen.
Viele der Symptome von vestibulärer Migräne ähneln den Symptomen anderer Innenohrerkrankungen wie Morbus Menière, benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS) und der Vestibularisparoxysmie. Andere Erkrankungen wie der transitorische ischämische Schlaganfall (TIA), der Schlaganfall mit vertebrobasilärer Insuffizienz (VBI) und die episodische Ataxie Typ 2 (EA2) können ähnliche Symptome wie vestibuläre Migräne aufweisen. Die Ähnlichkeit der Symptome kann die Diagnose zusätzlich erschweren.
Bevor du eine endgültige Diagnose erhältst, werden möglicherweise diagnostische Tests durchgeführt, um andere Krankheiten auszuschließen. Untersuchungen mit einer speziellen Brille können hilfreich sein. Dadurch lässt sich zwischen Lagerungsschwindels und Lagenystagmus (unwillkürliche, schnelle Augenbewegungen), der bei vestibulärer Migräne auftritt, unterscheiden.
Die derzeit anerkannten Diagnosekriterien der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft und der Barany Society (Internationale Gesellschaft für Neuro-otologie) für vestibuläre Migräne sind:
- Mindestens 5 Episoden mit vestibulären Störungen von moderater oder schwerer Intensität, die 5 Minuten bis 72 Stunden andauern. Moderat bedeutet, dass die Symptome zwar die alltäglichen Aktivitäten beeinträchtigen, aber dennoch möglich sind. Schwere Symptome bedeuten, dass alltäglichen Aktivitäten unmöglich sind.
- Eine aktuelle oder Vorgeschichte von Migräne mit oder ohne Aura.
- Mindestens die Hälfte der Episoden sind mit mindestens einem der folgenden 3 Migränemerkmale verbunden:
- Kopfschmerzen mit mindestens 2 der folgenden 4 Merkmale:
- unilaterale (einseitige) Lokalisation
- pulsierender Charakter
- mittlere oder starke Schmerzintensität
- Verstärkung durch routinemäßige körperliche Aktivität
- Photophobie (Lichtempfindlichkeit) und Phonophobie (Geräuschempfindlichkeit)
- Visuelle Aura (Lichtblitze oder blinde Flecken in deinem Blickfeld)
- Kopfschmerzen mit mindestens 2 der folgenden 4 Merkmale:
- nicht besser durch eine andere ICHD-3-Diagnose oder eine andere vestibuläre Störung erklärbar.
Andere Symptome, die oft Teil von VM-Anfällen sind, sind in den Diagnosekriterien nicht enthalten, weil sie auch bei verschiedenen anderen vestibulären Störungen auftreten.
Das größte Problem bei der Behandlung von vestibulären Migräne ist die fehlende Diagnose. Es wird geschätzt, dass viele Menschen mit vestibuläre Migräne nicht erkannt oder falsch diagnostiziert werden. Die Voreingenommenheit von Ärzten und Patienten kann problematisch sein. Für manche Patienten ist es schwer zu verstehen und zu akzeptieren, dass eine Migräne auch ohne Kopfschmerzen auftreten kann.
Manche Ärzte wissen nicht, wie sie diese ungewöhnlichen, atypischen Formen der Migräne erkennen können. Der Schlüssel zur korrekten Diagnose von vestibulärer Migräne liegt darin, einen Zusammenhang zwischen vestibulären Symptomen und Migräne zu erkennen und sich der vielen verschiedenen Erscheinungsformen dieser Erkrankung bewusst zu sein.
Es ist wichtig, dass die Patienten hartnäckig bleiben. Findet euch nicht mit der einfachen Diagnose „unklarer Schwindel“ ab.
Behandlung der vestibulären Migräne
Die Behandlungsmöglichkeiten für vestibuläre Migräne sind begrenzt. Das Ziel der derzeitigen Behandlung besteht vor allem darin, die Häufigkeit der Anfälle zu verringern. Zu den Strategien gehören:
- Reduzierung der Auslöser
- Lebensstiländerung
- Präventive Medikamente
- Behandlung von Komorbiditäten (d.h. die Anwesenheit weiterer chronischer Erkrankungen)
- Vestibuläre Rehabilitationstherapie
- „Notfall“-Medikamente
Therapieoption
Vermeidung von Auslösern
Es kann hilfreich sein, 6 Wochen lang ein VM-Tagebuch zu führen. Es gibt eine Reihe von Migräne-Tracker-Apps, die hilfreich sein können. Ein Tagebuch kann bei der Diagnose und der Identifikation von Auslösern helfen, damit du sie vermeiden kannst. Einige der Dinge, die andere Arten von Migräne auslösen, können auch vestibuläre Migräne auslösen. Notiere dir:
- wann du ins Bett gehst und aufstehst
- deine Aktivitäten während des Tages
- alles, was du isst und trinkst, und zu welchem Zeitpunkt
Das Einhalten einer regelmäßigen Routine und eine Ernährungsumstellung hilft den meisten Patienten nachweislich. Die Auslöser für vestibuläre Migräne sind von Person zu Person unterschiedlich. Auslöser können unter anderem sein:
- Stress und Ängste
Migräne im Allgemeinen ist eng mit Stress und Angst verbunden. Stress ist wahrscheinlich der größte Auslöser, den die meisten Patienten mit vestibuläre Migräne erleben.
- Bewegung
- Reisen ist ein bekannter VM-Auslöser. Die Reisekrankheit, die z. B. durch lange Auto-/ Zugfahrten, Booten und Flugzeugen ausgelöst wird, löst bei vielen Menschen einen VM-Anfall aus.
- Kopfbewegungen, insbesondere das schnelle Drehen des Kopfes, sind ebenfalls ein häufiger Auslöser.
- Viele Menschen berichten, dass intensive visuelle Reize, wie z. B. das Betrachten großer Flächen mit komplexen Mustern oder Bewegungen, einen Anfall auslösen (visuell induzierter Schwindel).
- Umweltfaktoren
- Bei 9 von 10 Personen mit vestibuläre Migräne kann es auch zu einer schmerzhaften Lichtempfindlichkeit (Photophobie) kommen. Grelles Licht ist für mindestens die Hälfte der Betroffenen ein Auslöser. Flackerndes Neonlicht und Blenden können ebenso störend sein.
- Viele Menschen berichten, dass intensive visuelle Reize, wie z. B. kontrastreiche Streifen oder regelmäßige geometrische Muster, einen Anfall auslösen können.
- Parfüm und andere starke Gerüche, wie Farbverdünner oder Chemikalien in Reinigungsprodukten, sind für manche Menschen Auslöser.
- Bei manchen Menschen werden Attacken durch laute Geräusche ausgelöst.
- Lebensmittel und Getränke
Identifiziere Lebensmittel, die deine VM-Attacken auslösen. Wahrscheinlich geht es nicht darum, nur auf ein bestimmtes Lebensmittel, wie z. B. Schokolade, zu verzichten. In der Regel gibt es mehr als einen Auslöser oder sich überschneidende Auslöser. Zu den häufigsten Auslösern gehören Natrium, Tyramin, Nitrate/Nitrite, Milchprodukte, Koffein, Alkohol, Gluten, Kohlenhydrate, Aspartam und Mononatriumglutamat. Nicht bei allen Betroffenen werden die Attacken durch Lebensmittel ausgelöst. - Schlechter Schlaf
- Schlafmangel ist einer der häufigsten Auslöser für akute VM-Anfälle. Auch zu viel Schlaf wird oft als Auslöser genannt. Jetlag und Veränderungen im Arbeitsalltag können für manche Menschen Auslöser sein.
- Fast alle chronischen VM-Patienten – also diejenigen, die täglich Schmerzen oder Schwindel haben – leiden unter Schlaflosigkeit. Es ist wichtig, dass dies behandelt wird, da es mit einem erhöhten Risiko für Angstzustände und Depressionen verbunden ist. Dein Hausarzt kann dir Medikamente verschreiben, um deine Stimmung zu regulieren und deinen Schlaf zu verbessern.
- Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Depressionen keinen Schwindel verursachen. Ein Leben mit chronischem Schwindel kann jedoch zu Depressionen führen.
- Hunger oder Dehydrierung
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das Auslassen von Mahlzeiten und eine unzureichende Flüssigkeitszufuhr oft mit dem Ausbruch von Migräne in Verbindung gebracht werden. - Wetterwechsel oder Veränderungen des Luftdrucks
Auch wenn die Forschungsergebnisse begrenzt sind, lösen Wetterumschwünge bei manchen Menschen Migräne aus. Gewitter mit Blitzen sind wahrscheinlich der wichtigste wetterbedingte Auslöser.
- Hormonelle Veränderungen
Dazu gehören die Menstruation, die Wechseljahre und die Pubertät. Orale Verhütungsmittel („die Pille“) können die Symptome verschlimmern. Eine Schwangerschaft verschafft manchen Frauen eine Linderung, während sich bei anderen die Symptome während der Schwangerschaft verschlimmern. - Rauchen
Rauchen verursacht keine VM-Anfälle bei Personen, die sonst nicht an dieser Krankheit leiden. Allerdings kann Rauchen die Anfälle verstärken, indem sie häufiger auftreten oder die Intensität zunimmt. - Übermäßiger Gebrauch von Schmerzmitteln
50 – 80 % der Menschen mit vestibulären Migräne nehmen übermäßig Analgetika (Schmerzmittel) ein. Kopfschmerzen, die mit VM einhergehen, sprechen hervorragend auf entzündungshemmende Medikamente wie Ibuprofen oder Paracetamol an. Die häufige Einnahme dieser Medikamente (ca. dreimal pro Woche) kann allerdings zu Rebound-Kopfschmerzen führen. Diese können täglich oder mit größerer Häufigkeit auftreten. Patienten mit Begleiterkrankungen, wie z. B. Rücken- oder Nackenschmerzen, müssen möglicherweise Schmerzmittel einnehmen, um funktionsfähig zu bleiben. Die Einnahme dieser Mittel kann auch dazu beitragen, dass vestibuläre Migräne ausgelöst oder verschlimmert wird. - Intensive Bewegung
Eine Studie hat gezeigt, dass 38% der Migränepatienten schon einmal durch Sport ausgelöste Migräneanfälle hatten.
Therapieoption
Lebensstiländerungen
Neben der Vermeidung von Auslösern können auch Änderungen des Lebensstils und die Einhaltung einer regelmäßigen Routine dazu beitragen, die Häufigkeit und Schwere von VM-Anfällen zu verringern. Folgende Schritte können helfen:
- Ausgewogene Ernährung
Ernährungswissenschaftler sind der Meinung, dass es unmöglich ist, die eine beste Ernährungsweise zu bestimmen. Es ist wichtig, auf eine nährstoffreiche und proteinreiche Nahrung zu achten, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen und auf die Kohlenhydratzufuhr zu achten. - Gute Schlafhygiene
Durch Routine können VM-Anfälle vermieden werden. Menschen, die immer zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen, können beispielsweise durch ausschlafen oder zu früh aufstehen, einen VM-Anfall auslösen. - Abbau von Stress und Ängsten
Patienten mit vestibuläre Migräne können von Übungen profitieren, die ihr Nervensystem beruhigen und die Intensität ihrer Symptome verringern. Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat sich bei der Verringerung der Migränehäufigkeit als wirksam erwiesen. Menschen mit vestibuläre Migräne leiden oft unter Ängsten. Dies kann manchmal zusätzlich zu Depressionen führen. - Regelmäßiger Sport
Regelmäßige und tägliche körperliche Aktivität kann ebenfalls hilfreich sein. Allerdings solltest du während der akuten Phase eines Anfalls keinen Sport treiben, da dies deine Symptome verschlimmern kann. Allgemeine Aktivität fördert die Genesung und die allgemeine Gesundheit. Hilfreiche Strategien zur Vermeidung einer VM-Attacke während des Trainings sind:- Ersetze Aktivitäten mit hoher Intensität durch Aktivitäten mit niedriger Intensität
- Nehme zusätzliche Elektrolyte zu dir
- Langsames Aufwärmen
- Lasse deinen Herzschlag nicht über eine bestimmte Anzahl von Schlägen pro Minute ansteigen (dies ist von Person zu Person unterschiedlich)
- Einnahme von Magnesium Citrat
Die zusätzliche Einnahme von Magnesium Citrat und Vitamin B2 (Riboflavin) verringert VM-Anfälle nachweislich bei etwa 10 % der Menschen. Die Supplementierung muss 6 Wochen lang ausprobiert werden, bevor ihre Wirksamkeit beurteilt werden kann. - Dehydrierung vermeiden
Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr könnte eine VM-Attacke verhindern. Trinke Wasser, bevor du Durst hast und bevor du körperlich aktiv bist. - Nacken- und Rückenschmerzen
Die Art und Weise, wie sich dein Nacken und Rücken bewegen, spielt bei der vestibulären Migräne eine große Rolle. Wenn du unter chronischen Nacken- und Rückenschmerzen leidest, kann langes Sitzen zum Beispiel Schmerzen im Hinterkopf – oder in manchen Fällen auch im Vorderkopf – auslösen. Selbst eine geringfügige Änderung der Schreibtisch- oder Stuhlhöhe kann einen enormen Unterschied machen. Wenn du berufstätig bist, bitte um eine ergonomische Beurteilung deines Arbeitsplatzes. Wenn du im Home-Office arbeitest, solltest du es in Erwägung ziehen, dein Heimbüro einer ergonomische Beurteilung unterziehen zu lassen. Tägliches Dehnen und das Kühlen des Nackens können ebenfalls hilfreich sein. Versuche, deine Position regelmäßig zu ändern und vermeide lange statische Körperhaltungen.
Therapieoption
Vorbeugende Medikamente
Wenn du mehr als 10 Tage im Monat mit Symptomen zu kämpfen hast, kann dein Arzt andere vorbeugende Maßnahmen in Erwägung ziehen. Das Ziel einer präventiven Medikamentenstrategie ist die Reduzierung der VM-Attacken um mindestens 50%. Dies kann vor allem Personen mit schwer vermeidbaren Auslösern helfen, wie z. B. Veränderungen des Hormonspiegels.
Mehrere Medikamente, die eigentlich für andere Erkrankungen entwickelt wurden, können helfen, die Anfälle zu verhindern. Dazu gehören:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) oder Serotonin- bzw. Serotonin/Norepinephrin-Wiederaufnahmehemmer (SNRAs)
- Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle)
- Botulinumtoxin-Injektionen sind die erste Wahl bei der Migränebehandlung. Sie haben keine Nebenwirkungen und haben sich in klinischen Studien bewährt.
- Betablocker wie z. B. Propranolol. Sie wirken auf den vaskulären Teil der Migräne und können dazu beitragen, dass die Herzfrequenz bei körperlicher Anstrengung nicht ansteigt.
- Kalziumkanalblocker
- Monoklonale Antikörper gegen das Calcitonin-Gen sind eine neuere biologische Therapie für chronische Migräne.
Die oben genannten Medikamente können sehr wirksam sein, insbesondere bei vestibuläre Migräne mit Kopfschmerzen. Sie können auch bei Personen wirken, die nur an einer Aura leiden. Eine Person, die vorbeugende Medikamente einnimmt, muss diese in der Regel täglich einnehmen. Unabhängig von den Symptomen, sollte aber der Rat des Arztes befolgt werden. Wenn es keine andere wirksame Behandlung gibt, sollten vorbeugende Medikamente zumindest ausprobiert werden.
Therapieoption
Vestibuläre Rehabilitationstherapie
Wenn du mit den oben genannten Therapiemaßnahmen begonnen hast, kann zusätzlich eine vestibuläre Rehabilitationstherapie helfen. Hiermit kann dein Gleichgewicht gestärkt und deine anhaltenden Symptome reduziert werden. Die vestibuläre Rehabilitation ist eine Übungstherapie.
Es ist sehr wichtig, dass du die vestibuläre Migräne unter Kontrolle hast, bevor du mit der vestibulären Rehabilitation beginnst. Dein Schwindel und dein Gleichgewicht werden sich trotz aller Bemühungen nicht verbessern, wenn das zugrundeliegende Problem der vestibulären Migräne nicht angemessen behandelt wurde. Die vestibuläre Rehabilitation sollte für alle VM-Patienten in Betracht gezogen werden. Ein zertifizierter IVRT® Schwindel- und Vestibular-Therapeut kann deine Fortschritte dokumentieren und dich in der Behandlung begleiten.
Es ist wichtig, dass du geduldig bist und täglich deine Übungen machst. Versuche jedoch nicht, dich zu übernehmen. Wenn du die vestibuläre Rehabilitation fortsetzt, obwohl sich die VM-Symptome verschlimmern, kann sich deine vestibuläre Migräne verschlimmern und damit die Häufigkeit und Schwere deiner Symptome zunehmen. Wenn die vestibuläre Rehabilitationstherapie deine Migräneanfälle verschlimmert, sprich unbedingt mit deinem Therapeuten.
Therapieoption
Notfallmedikamente
Wenn die oben genannten Behandlungen nicht wirken, können einige Medikamente helfen, dich zu „retten“. Sie können das Auftreten von VM-Anfällen nicht verhindern, aber sobald ein Anfall beginnt, können sie das Serotonin-Gleichgewicht im Gehirn wiederherstellen und somit die Attacke behandeln. Zu den Notfallmedikamenten gehören:
- Nichtsteroidale Antirheumatika: Bei diesen Medikamenten ist Vorsicht geboten, da das Gehirn sehr empfindlich auf sie reagiert.
- Metoclopramid
- Triptane: Untersuchungen zeigen, dass diese Medikamente nur geringe Auswirkungen auf den Schwindel haben und bei der Behandlung von Kopfschmerzen wirksamer sind.
- Antiemetika (Medikamente zur Vorbeugung von Erbrechen) wie Dimenhydrinat und Benzodiazepine
Leben mit vestibulärer Migräne
Vestibuläre Migräne ist eine chronische Erkrankung, die das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen kann. Sie kann dazu führen, dass du dich zu schwach fühlst, um grundlegende Tätigkeiten wie Schlafen, Gehen oder Autofahren zu erledigen. Häufige VM-Anfälle können sich negativ auf deine Karriere, deine Ausbildung und deine Beziehungen zu Familie und Freunden auswirken.
Tipps für das Leben mit vestibulärer Migräne:
- Bei den ersten Anzeichen eines Anfalls solltest du in einen dunklen Raum gehen, ein Glas Wasser trinken und dich hinlegen. Ätherische Öle wie Lavendel oder Pfefferminze unter deiner Nase könnten zusätzlich helfen.
- Führe ein Gesundheitstagebuch und halte Ausschau nach Mustern. Welche Lebensmittel lösen zum Beispiel eine Attacke aus? Gibt es ein bestimmtes Anzeichen dafür, dass ein Anfall kurz bevorsteht?
- Erwäge die Verwendung eines transdermalen Scopolamin Pflasters, um Reisekrankheit auf langen Autofahrten, Langstreckenflügen oder Kreuzfahrten zu verhindern. Ein Pflaster hält 3 Tage lang und kann bis zu 6 aufeinanderfolgende Tage lang sicher verwendet werden. Entferne das Pflaster sofort nach Beendigung deiner Reise. Alternativ kannst du Dimenhydrinat oder ein anderes, von deinem Arzt, empfohlenes Medikament als Vorbehandlung verwenden.
- Wenn du anhaltend photophob (lichtempfindlich) bist, solltest du in geschlossenen Räumen keine Sonnenbrille tragen. Das Tragen einer Sonnenbrille verschlimmert deine Lichtempfindlichkeit. Erwäge stattdessen Brillengläser mit der optischen Tönung FL-41 zu tragen.
- Wenn du unter anhaltender Phonophobie (Geräuschempfindlichkeit) leidest, solltest du nicht ständig Ohrstöpsel verwenden. Die meisten Ohrstöpsel verschlimmern die Geräuschintoleranz. Verwende sie diese nur bei Tätigkeiten, bei denen der Geräuschpegel die Sicherheitsgrenzen überschreitet, z. B. beim Rasenmähen. Wenn du zu geräuschempfindlich bist, solltest du eine HNO-Praxis aufsuchen, die eine Tinnitus-Retraining-Therapie oder eine „Pink Noise“-Therapie anbietet.
- Viele Menschen wissen nicht viel über vestibuläre Migräne, daher musst du möglicherweise deine Familie und Freunde darüber aufklären. Informiere sie darüber, ob sie bestimmte Maßnahmen ergreifen können, um dich zu unterstützen.
- Wenn du die Krankheit verstehst, kannst du besser damit umgehen. Es kann hilfreich sein, so viel wie möglich über vestibuläre Migräne zu erfahren.
- Manchen Menschen hilft es, sich mit anderen auszutauschen, die unter derselben Krankheit leiden. Selbsthilfegruppen, ob online oder persönlich, können dir helfen, Informationen und Tipps auszutauschen und dir das Gefühl zu geben, nicht allein zu sein.
Eine kontinuierliche Behandlung der vestibulären Migräne kann die Lebensqualität deutlich verbessern und sowohl bei der Behandlung als auch bei der Vorbeugung von Anfällen helfen.
Wie geht es weiter?
Was du in Zukunft erwarten kannst.
Die aktuellen Diagnosekriterien, die von der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) und der Barany Society festgelegt wurden, werden sich wahrscheinlich weiterentwickeln. Eine künftige Überarbeitung könnte ein Überlappungssyndrom von vestibulärer Migräne und Morbus Menière einschließen. Weitere Studien zu den verschiedenen Migräneformen, einschließlich chronischer und persistierender Formen, sind erforderlich.
Eine kleine, vorläufige Studie deutet darauf hin, dass die nicht-invasive Vagusnervstimulation mit einem tragbaren Gerät, welches am Nacken platziert wird, eine schnelle Linderung der akuten vestibulären Migräne bewirken kann. Bevor die Vagusnervstimulation als wirksame Behandlung für vestibuläre Migräne empfohlen werden kann, ist jedoch weitere Forschung erforderlich.
Es ist noch ein weiter Weg, um Menschen mit vestibulärer Migräne angemessen zu helfen, aber das Bewusstsein für diese Störung nimmt stetig zu. In den letzten 5 bis 10 Jahren hat sich der Wissensstand deutlich erhöht und die Aussichten auf bessere Behandlungsmöglichkeiten sind vielversprechend.
Um diese Patienteninformation möglichst kurz zu halten, haben wir auf eine detaillierte Referenzliste verzichtet. Diese kann aber jederzeit unter info@ivrt.de angefordert werden.