Für Fachpersonal:
Schwindel ist einer der häufigsten Gründe für Arztbesuche bei älteren Menschen. Um Beschwerden rasch zu lindern, werden häufig vestibuläre Sedativa wie Meclizin oder Benzodiazepine verordnet. Doch aktuelle Leitlinien raten dringend vom Routineeinsatz ab – insbesondere bei älteren Patient:innen –, da diese Medikamente das Sturzrisiko erhöhen und die zentrale Kompensation behindern
🔗 Marmor S et al., 2025. Vestibular Suppressant Utilization and Subsequent Falls Among Patients ≥65 Years With Dizziness in the United States. Journal of the American Geriatrics Society (J Am Geriatr Soc). PMID: 39902815
Studiendesign:
- Datenbasis: US-Versicherungs- und Medicare-Daten
- Zeitraum: 2006 – 2015
- Population: 190.348 Patient:innen ≥ 65 Jahre mit Schwindel
- Analyse: Zusammenhang zwischen Verordnung vestibulärer Sedativa und Stürzen
Zentrale Ergebnisse
- 32 % erhielten nach der Diagnose Schwindel vestibuläre Sedativa:
- 8 % dieser Patient:innen erlitten innerhalb von 60 Tagen nach Verordnung einen Sturz mit medizinischer Folge.
- Nach Adjustierung für Alter, Geschlecht und Begleiterkrankungen:
HR 3,33 (95 %-KI 1,93–5,72, p < 0,0001)
→ Patient:innen mit Sedativa hatten ein über dreifach erhöhtes Sturzrisiko.
Klinische Bedeutung
- Vestibuläre Sedativa lindern kurzfristig Symptome, behindern aber langfristig die zentrale Kompensation.
- Ihr Einsatz ist nur bei akuten vestibulären Krisen sinnvoll – und dann für wenige Stunden bis maximal wenige Tage.
- Leitlinien empfehlen, Medikamente nicht routinemäßig zu verordnen, sondern die Ursache des Schwindels zu diagnostizieren und gezielt zu behandeln.
- Besonders kritisch: Der hohe Einsatz von Benzodiazepinen – bekannt für Gangunsicherheit, Sedierung und kognitive Einschränkungen.
Fazit für die Praxis
Diese Studie unterstreicht die Notwendigkeit, Schwindelursachen differenziert zu diagnostizieren und nicht reflexartig vestibuläre Sedativa zu verschreiben. Gerade bei älteren Menschen kann der falsche Einsatz das Sturzrisiko dramatisch erhöhen und die Genesung verzögern.
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Für Patient:innen – einfach erklärt
Schwindel & Medikamente: Warum manche Tabletten das Sturzrisiko erhöhen
Eine neue große US-Studie zeigt:
Viele ältere Menschen bekommen bei Schwindel Medikamente, die das Gleichgewicht dämpfen – sogenannte vestibuläre Sedativa wie Meclizin oder Benzodiazepine. Doch genau diese Medikamente können Gangunsicherheit verstärken und das Sturzrisiko erhöhen
📄 Marmor S et al., 2025. Vestibular Suppressant Utilization and Subsequent Falls Among Patients ≥65 Years With Dizziness in the United States. Journal of the American Geriatrics Society (J Am Geriatr Soc). PMID: 39902815
Wichtige Ergebnisse der Studie
- Jede dritte Person ab 65 mit Schwindel bekam vestibuläre Sedativa verschrieben.
- 8 % dieser Patient:innen stürzten innerhalb von 60 Tagen nach der Verordnung.
- Das Risiko zu stürzen war mehr als dreimal so hoch wie bei Menschen, die keine Sedativa bekamen.
Fazit
Was bedeutet das für Sie?
- Solche Medikamente können kurzfristig helfen, zum Beispiel bei sehr starkem akutem Schwindel.
- Sie sind jedoch nicht für den langfristigen Einsatz gedacht, weil sie:
- den Gleichgewichtssinn zusätzlich dämpfen,
- müde machen können,
- das Risiko für Stürze erhöhen.
Was können Sie tun?
- Holen Sie sich bei Bedarf eine Zweitmeinung – etwa in der Apotheke oder bei spezialisierten Ärzt:innen.
- Wenn Ihr Schwindel nicht durch Medikamente verursacht wird:
- Gezielte Übungen und ein Training des Gleichgewichts sind – im Gegensatz zu Medikamenten – häufig sehr empfehlenswert und nachweislich wirksam.
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