Für Fachpersonal:
Der persistierende postural-perzeptive Schwindel (PPPD) tritt häufig nach einer peripher-vestibulären Störung auf – bleibt aber auch dann bestehen, wenn sich die Gleichgewichtsfunktion längst normalisiert hat. Betroffene berichten über anhaltende Unsicherheit, Schwindel bei Bewegung und visuell ausgelöste Symptome – obwohl Standarduntersuchungen oft unauffällig sind. Die Rolle zentraler Verarbeitungsmechanismen war bisher unklar.
🔗 Storm R et al., 2025. Functional brain activity in persistent postural-perceptual dizziness (PPPD) during galvanic vestibular stimulation reveals sensitization in the multisensory vestibular cortical network. Scientific Reports
Studiendesign:
- Teilnehmende: 28 PPPD-Patient:innen, 28 alters- und geschlechtsgematchte gesunde Kontrollen
- Methode: Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) während galvanischer Vestibularstimulation (GVS)
- Untersuchungsparameter:
- Wahrnehmungsschwelle für Bewegung (Egomotion)
- Intensität der subjektiven Schwindelwahrnehmung
- Fragebögen zu Einschränkungen durch PPPD (z. B. Dizziness Handicap Inventory)
- visuelle Bewegungsverarbeitung (motion coherence task)
- posturale Kontrolle (posturographische Tests)
Zentrale Ergebnisse
- PPPD-Patient:innen reagierten bereits auf sehr schwache vestibuläre Reize mit deutlicher Schwindelwahrnehmung
- Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigte sich eine signifikant erhöhte Aktivität in:
- dem supramarginalen Gyrus
- der posterioren Insula (Operculum 3)
- dem Vermis des Kleinhirns
- Die wahrgenommene Schwindelintensität war bei PPPD-Patient:innen stärker – jedoch nicht direkt mit der Hirnaktivität korreliert
- Die Höhe der Aktivierung in der Insula korrelierte mit der Ausprägung funktioneller Einschränkungen und posturaler Instabilität
Klinische Bedeutung
- Die Studie belegt eine Sensibilisierung des multisensorischen vestibulären Netzwerks bei PPPD
- Im Vordergrund steht nicht eine periphere Läsion, sondern eine zentrale Übererregbarkeit
- Die pathophysiologischen Mechanismen ähneln einer sensorisch-neuronalen Verstärkung
- Erklärt, warum auch normale Reize (z. B. Bewegung, optische Eindrücke) überstarke Symptome auslösen
Fazit für die Praxis
Diese Daten bestätigen: PPPD ist ein zentral-neurophysiologisches Syndrom – keine Einbildung, keine primär psychogene Störung.
Für die Therapie bedeutet das:
- Patientenedukation ist essenziell – Aufklärung schafft Verständnis
- Gezielte Habituation (visuell-vestibuläre Exposition, Gleichgewichtstraining) kann die Überempfindlichkeit reduzieren
- Medikamente wie SSRI können ergänzend sinnvoll sein – aber sind keine Primärbehandlung
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Für Patient:innen – einfach erklärt
Warum das Gehirn bei PPPD überempfindlich auf Schwindel reagiert
Das persistierende postural-perzeptive Schwindelsyndrom (PPPD) ist eine Erkrankung, bei der der Schwindel bleibt – obwohl die ursprüngliche Ursache (z. B. eine Entzündung des Gleichgewichtsorgans) längst abgeklungen ist.
Viele Betroffene fühlen sich unsicher, nehmen Bewegungen als unangenehm stark wahr oder reagieren empfindlich auf visuelle Reize wie Rolltreppen, Bildschirmarbeit oder Menschenmengen.
📄 Storm R et al., 2025. Functional brain activity in persistent postural-perceptual dizziness (PPPD) during galvanic vestibular stimulation reveals sensitization in the multisensory vestibular cortical network. Scientific Reports.
Was zeigt die neue Studie?
Wissenschaftler:innen haben untersucht, wie das Gehirn auf leichte Reize des Gleichgewichtssystems reagiert – bei Menschen mit PPPD und bei Gesunden:
- Schon sehr schwache Reize lösten bei PPPD-Patient:innen Schwindel aus
- Im Gehirn waren bestimmte Bereiche überaktiv, z. B. die Inselrinde (für Körperwahrnehmung) und das Kleinhirn (für Gleichgewicht)
- Je mehr der Schwindel den Alltag beeinflusste, desto stärker waren diese Gehirnareale aktiviert
Was bedeutet das?
- Dein Schwindel ist nicht eingebildet – er ist im Gehirn messbar
- PPPD bedeutet, dass das Gehirn zu sensibel auf Reize reagiert
- Gute Nachricht: Das Gehirn kann sich auch wieder daran gewöhnen
Was hilft bei PPPD?
- Gezielte Übungen und Gleichgewichtstraining
- Trainieren mit optischen Reizen (z. B. virtuelle Realität, bewegte Muster)
- Aufklärung und Strategien gegen Schwindelangst
Das Ziel: Dein Gehirn wird nach und nach weniger empfindlich – du gewinnst Sicherheit zurück.
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