Für Fachpersonal:
Patient:innen mit Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen werden häufig zunächst zur Vestibularen Rehabilitation (VRT) überwiesen – also zur physiotherapeutischen Behandlung. Wenn sich die Symptome jedoch nicht bessern oder die Diagnose unklar bleibt, folgt meist die Überweisung zur objektiven vestibulären Testung (VTB), etwa mit Videonystagmographie (VNG), Video-Kopfimpulstest (vKIT) oder Kalorik. Die Studie untersucht, wie sich die Reihenfolge dieser beiden Ansätze – „erst Training oder erst Test?“ – auf den Therapieverlauf auswirkt.
🔗 Behr E, Massa ML, Honaker JA. Clinical Pathways in Vestibular Care: Referral Trends Between Vestibular Rehabilitation and Objective Vestibular Testing. Am J Audiol. 2025;34(3):687-694. doi:10.1044/2025_AJA-25-00037
Studiendesign:
- Ort: Tertiäres/spezialisiertes Krankenhaus im Mittleren Westen der USA
- Design: Retrospektive Auswertung von Patientenakten
- Teilnehmende: 149 Erwachsene mit Schwindel oder Gleichgewichtsbeschwerden
- Zwei Gruppen:- VRT-first: zuerst vestibuläre Rehabilitation, danach ggf. Testung
- VTB-first: zuerst objektive Testung, danach Rehabilitation
 
- Ziel: Unterschiede in der Anzahl der Therapiesitzungen und Diagnosehäufigkeit
Zentrale Ergebnisse
- Der Unterschied war signifikant:- Patient:innen der VTB-first-Gruppe benötigten weniger VRT-Sitzungen als die VRT-first-Gruppe (p < .05)
- Ausnahme: Bei BPLS (benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel) war kein Unterschied (p = .12)
 
- Frühzeitige objektive Diagnostik führte zu präziserer Therapieplanung und schnellerem Behandlungsfortschritt
- Besonders bei bilateralen oder zentralen vestibulären Störungen erwies sich die Testung als entscheidender Faktor für den Verlauf
Klinische Bedeutung
- Eine frühe objektive Vestibulardiagnostik (VNG, vKIT, Kalorik, VEMP etc.) verbessert den Verlauf und spart unnötige Sitzungen – einzige Ausnahme: der benigne paroxysmale Lagerungsschwindel (BPLS).
- Beim BPLS ist die Ursache meist eindeutig, und die Behandlung erfolgt direkt durch gezielte Lagerungsmanöver.
- Sie hilft, die Ursache klar zu bestimmen, anstatt symptomorientiert zu therapieren.
- Für Therapeut:innen: Klare Diagnosen erleichtern eine zielgerichtete, evidenzbasierte Rehabilitation.
- Für Ärzt:innen: Strukturierte Überweisungspfade steigern die Effizienz der Versorgung
Einordnung für die Praxis in Deutschland
In Deutschland wird die vestibuläre Diagnostik häufig auf wenige Standardverfahren beschränkt – meist auf die Kalorik. Diese Testung kann wertvolle Hinweise liefern, hat jedoch eine begrenzte Aussagekraft, wenn sie isoliert eingesetzt wird. Funktionelle Gleichgewichtsdefizite oder zentrale Störungen bleiben dabei oft unerkannt.
Ein erweitertes Testprotokoll (z. B. vKIT, VNG, VEMP) und die Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und spezialisierten Therapeut:innen ermöglichen eine deutlich präzisere Einschätzung des Störungsbildes. So können Patient:innen früher und gezielter rehabilitiert werden – ohne wertvolle Zeit durch unvollständige Diagnostik zu verlieren.
Fazit für die Praxis
Diese Studie betont: Diagnose vor Therapie lohnt sich. Objektive vestibuläre Tests liefern eine Grundlage für passgenaue Rehabilitation und vermeiden Umwege durch ungezielte Therapieansätze.
💡 Tipp:
Wer einen kompakten Überblick über die wichtigsten objektiven Tests des Gleichgewichtssystems sucht, findet ihn in unserem IVRT®-Onlinekurs „medizinisch technische Untersuchungen“. Hier lernst du, vestibuläre Testverfahren wie VNG, vKIT, VEMP oder Kalorik sicher einzuordnen und ihre klinische Aussagekraft besser zu nutzen.
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Für Patient:innen – einfach erklärt
Schwindel richtig abklären: Warum Tests oft helfen, Zeit zu sparen
Viele Menschen mit Schwindel starten direkt mit Gleichgewichtsübungen oder Physiotherapie. Doch eine neue US-Studie zeigt: Zuerst die Ursache erschließen kann schneller zum Ziel führen.
📄 Behr E, Massa ML, Honaker JA. Clinical Pathways in Vestibular Care: Referral Trends Between Vestibular Rehabilitation and Objective Vestibular Testing. Am J Audiol. 2025;34(3):687-694. doi:10.1044/2025_AJA-25-00037
Was zeigt die neue Studie?
149 Patient:innen mit Schwindel wurden in zwei Gruppen eingeteilt:
- Gruppe 1 begann direkt mit Training
- Gruppe 2 begann erst mit objektiven, diagnostischen Tests
Ergebnis: Wer zuerst getestet wurde, brauchte weniger Therapiesitzungen und kam schneller voran.
Was bedeutet das?
- Genaue Untersuchung des Gleichgewichtsorgans kann helfen, die Ursache des Schwindels zu finden
- So können Therapeut:innen gezielt entscheiden, welches Training wirklich hilft
- Das spart Zeit, Aufwand und Frust – besonders, wenn der Schwindel schon länger besteht
Was kannst du tun?
- Sprich deine Ärztin oder deinen Arzt an, ob eine weiterführende Gleichgewichtstestung sinnvoll ist – eine einzelne Untersuchung (z. B. die Kalorik) reicht oft nicht aus, um alle Ursachen von Schwindel zu erkennen.
- Unsere IVRT®-Therapeut:innen sind darauf spezialisiert, funktionelle Gleichgewichtsprobleme zu erkennen und gezielt zu behandeln – auch dann, wenn die Standardtests unauffällig waren.
- Durch regelmäßiges, individuell angepasstes Training lässt sich das Gleichgewicht häufig vollständig stabilisieren.
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