Vestibuläre Erkrankung

Neuritis Vestibularis

Diese Informationen sind als allgemeine Einführung in dieses Thema gedacht. Da jeder Mensch anders von Gleichgewichts- und Schwindelproblemen betroffen ist, solltest du mit deinem Arzt oder deiner Ärztin sprechen, um dich individuell beraten zu lassen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet und auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Die in dieser Patienteninformation verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.

Was ist eine Neuritis Vestibularis?

Die Neuritis Vestibularis ist eine Erkrankung, die einen plötzlichen, schweren Schwindelanfall verursacht, der meist mit Übelkeit und Erbrechen einhergeht. Dieser Anfall kann tagelang andauern. Die Neuritis Vestibularis kommt und geht nicht; sie ist ein einmaliges, schwerwiegendes Ereignis. Aber nach dem Anfall können die Betroffenen noch Wochen oder Monate lang Gleichgewichtsprobleme haben und unsicher sein.

Die Neuritis Vestibularis wird auch als Neuropathia vestibularis, Neuronitis vestibularis, akute einseitige Vestibulopathie oder akutes Vestibularsyndrom bezeichnet. Die Neuritis Vestibularis wird manchmal mit einer anderen Erkrankung, der Labyrinthitis, verwechselt, aber es handelt sich nicht um die gleiche Erkrankung.

Die Neuritis Vestibularis tritt am häufigsten bei Menschen zwischen 30 und 50 Jahren auf, kann aber in jedem Alter auftreten.

Zusammenfassung

Wodurch wird eine Neuritis Vestibularis verursacht?

Eine Neuritis Vestibularis entsteht, wenn ein Teil des vestibulären Systems auf einer Seite plötzlich ausfällt.

Zum vestibulären System gehören die Bogengänge und die Maculaorgane (Otolithenorgane) im Innenohr. Diese Strukturen nehmen Kopfbewegungen wahr, zum Beispiel wenn sich dein Kopf neigt, dreht oder die Geschwindigkeit ändert. Die Informationen aus diesen Strukturen werden über den Nervus vestibularis (auch 8. Hirnnerv oder Nervus vestibulocochlearis genannt) an das Gehirn weitergeleitet. Dein Gehirn nutzt diese Signale des vestibulären Systems im Innenohr zusammen mit den Signalen von deinen Augen, Knochen, Muskeln und Gelenken, um dich im Gleichgewicht zu halten, während du stehst oder dich bewegst.

Bei einer Neuritis Vestibularis sind die Strukturen des Innenohrs in Ordnung. Aber ein Teil des Nervus vestibularis ist gestört. Das bedeutet, dass die Signale des vestibulären Systems im Innenohr nicht das Gehirn erreichen. Infolgedessen fällt ein Teil deines Gleichgewichtssystems plötzlich aus, wodurch du starken Schwindel und Übelkeit erfährst.

Woher kommen die Störungen?

Die Forschung ist sich nicht sicher, wodurch die Störung des Nervus vestibularis verursacht wird. Es gibt mehrere Theorien:

  • Der Nerv könnte von einem ruhenden (inaktiven) Virus befallen sein, der aus irgendeinem Grund reaktiviert wird. Manche Viren verursachen eine Infektion und verstecken sich dann im Körper, anstatt ihn zu verlassen. Sie gehen in den Nervenzellen in einen ‚Ruhezustand‘ über. Sie können Monate oder Jahre später durch chronischen Stress reaktiviert werden. Einige Beispiele sind Windpocken, die als Gürtelrose reaktiviert werden können, und das Herpes-Simplex-Virus.
  • Eine Entzündung durch eine Virusinfektion kann zu winzigen Blutgerinnseln in den Blutgefäßen um den Nervus vestibularis führen und diesen schädigen.
  • Ein Ungleichgewicht des Immunsystems kann dazu führen, dass das Immunsystem den Nervus vestibularis angreift, ähnlich wie bei Multipler Sklerose.

All diese Möglichkeiten werden noch untersucht.

Zu den ersten Anzeichen einer Neuritis Vestibularis, die als akute Phase bezeichnet wird, gehören in der Regel die folgenden Symptome:

  • ein plötzlicher, schwerer Schwindelanfall (das Gefühl, dass du oder deine Umgebung sich dreht)
  • Starke Gleichgewichtsprobleme
  • Übelkeit und Erbrechen

Die akute Phase dauert in der Regel 2 oder 3 Tage, kann aber auch eine Woche oder etwas länger andauern. Sie ist oft schwerwiegend und einschränkend im Alltag. Menschen, die sich in der akuten Phase der Neuritis Vestibularis befinden, können oft nicht aufstehen oder gehen und müssen sich meist unkontrolliert übergeben.

Nach der akuten Phase können Menschen mit Neuritis Vestibularis immer noch Gleichgewichtsprobleme haben und unsicher sein. Bewegungen verschlimmern diese Symptome. Manche Menschen reagieren empfindlich auf visuell belebte Umgebungen (visuell induzierter Schwindel). Manche Menschen haben ein Völlegefühl im Ohr oder einen Tinnitus. Dies wird als chronische Phase bezeichnet. Sie kann über Wochen oder Monate anhalten.

Schwerhörigkeit ist kein Symptom der Neuritis Vestibularis.

Diagnose der Neuritis Vestibularis

Eine Neuritis Vestibularis wird in der Regel in der akuten Phase in der Notaufnahme einer Klinik von einem Neurologen diagnostiziert.

Der Arzt wird dich nach deinen Symptomen und deiner Krankengeschichte befragen, z. B. nach Infektionen, Kopfschmerzen oder Migräne, die du in der Vergangenheit hattest.

Außerdem wird dein Arzt eine gründliche körperliche und neurologische Untersuchung durchführen und dabei auch die Augenbewegungen beobachten. In der akuten Phase schlagen die Augen spontan (ohne einen Reiz) in Richtung des gesunden Ohrs. Dies wird auch Spontannystagmus gennant.

Wenn die akute Phase vorbei ist, können einige der folgenden diagnostischen Tests durchgeführt werden:

  • Hörtests
  • Otoskopische Untersuchung
  • Bildgebung (CT- oder MRT-Scans)
  • Vestibuläre Funktionsuntersuchung

Die Neuritis Vestibularis macht Symptome eines Schlaganfall, deshalb muss der Arzt sorgfältig solche gefährlicheren Erkrankungen ausschließen.

Behandlung der Neuritis Vestibularis

Die akute Phase der Neuritis Vestibularis klingt normalerweise von selbst wieder ab. Die Behandlung in dieser Phase zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und es dir so angenehm wie möglich zu machen.

Die unterstützende Behandlung während der akuten Phase kann Folgendes umfassen:

  • Medikamente zur Verringerung des Schwindels, entweder durch den Mund oder über eine intravenöse (IV) Leitung, wie Dimenhydrinat oder Ondansetron
  • IV-Flüssigkeit, um den Flüssigkeitsverlust durch Erbrechen zu ersetzen
  • Steroide, um die Entzündung des Nervus vestibularis zu reduzieren

Die Gabe von antiviralen Medikamenten scheint keine Wirkung zu haben.

Wenn die akute Phase vorbei ist, zielt die weitere Behandlung darauf ab, dir zu helfen, wieder zur Normalität zurückzukehren. Zwischen 40 – 60 % der Menschen, die von einer Neuritis Vestibularis betroffen sind, können ihre Nervenfunktion in den ersten 4 bis 6 Wochen teilweise oder vollständig wiedererlangen.

Die erste Empfehlung nach dem Abklingen der akuten Phase ist, Kopf und Körper so natürlich wie möglich zu bewegen. Du findest auf unserer Website ‚Einstiegsübungen‘, womit du selbstständig beginnen kannst. Durch diese Übungen lernt das Gehirn dein vestibuläres System zu kompensieren.

Kompensation bedeutet, dass sich das Gehirn daran gewöhnt, keinen Input vom geschädigten vestibulären System des Innenohrs zu erhalten. Das Gehirn lernt, mit nur noch der gesunden Seite als zuverlässige Informationsquelle, das Gleichgewicht zu halten.

Bei vielen Menschen stellt sich die Kompensation im Laufe der Zeit von selbst ein. Für Menschen, deren Symptome aber nicht abnehmen und die weiterhin Schwierigkeiten haben, ihren täglichen Aktivitäten nachzugehen, kann eine vestibuläre Rehabilitation durch Förderung der Kompensation zur Genesung beitragen.

Bei manchen Menschen kann eine Neuritis Vestibularis zu einer Komplikation führen, welches als persistierender postural-perzeptiver Schwindel (PPPD) bezeichnet wird. Ein Ziel der Behandlung ist es, die Entwicklung von PPPD zu verhindern.

Therapieoption

Vestibuläre Rehabilitation

Die vestibuläre Rehabilitation ist eine Übungstherapie. Sie soll deinem Gehirn helfen, die Gleichgewichtskontrolle wieder zu erlernen und auf die Signale des vestibulären und visuellen Systems zu reagieren. Ein zertifizierter IVRT® Schwindel- und Vestibular-Therapeut kann dir dabei helfen, Behandlungsziele und ein geeignetes Übungsprogramm zu erstellen.

Idealerweise solltest du mit der vestibulären Rehabilitation beginnen, sobald die akute Phase vorbei ist. Je früher du damit beginnst, desto schneller wird es dir besser gehen. Es ist wichtig, langsam anzufangen und dann immer mehr zu tun.

Denk daran, dass die vestibuläre Rehabilitation Zeit und Mühe kostet. Dein Therapeut wird dir die Übungen zeigen, die du machen musst, aber du bist derjenige, der sie nach Plan durchführen muss.

Medikamente gegen Schwindel können die Genesung in dieser Phase beeinträchtigen, deshalb solltest du sie nach Möglichkeit nicht einnehmen.

Therapieoption

Andere Behandlungen

In seltenen Fällen hilft eine vestibuläre Rehabilitation nicht. Wenn du nach einer mehrmonatigen Therapie immer noch unter schweren Symptomen leidest, sollte abgeklärt werden, ob du nicht unter einer anderen (eventuell neurologischen) Erkrankung oder einem persistierenden postural-perzeptiven Schwindel (PPPD) leidest.

Wie geht es weiter?

Was du in Zukunft erwarten kannst.

Bei einigen Patienten kehrt der geschädigte Gleichgewichtsnerv innerhalb von vier bis sechs Wochen zu seiner normalen Funktion zurück. Bei anderen kann die Gangunsicherheit mehrere Monate andauern.

Es ist sehr selten, dass jemand mehr als einen Anfall von Neuritis Vestibularis hat, und die meisten Menschen erholen sich vollständig.

Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass ca. 25% der Betroffenen, die an einer Neuritis Vestibularis erkranken, später einen persistierenden postural-perzeptiven Schwindel (PPPD) entwickeln. Die richtige Behandlung und Rehabilitation sind sehr wichtig, damit du langfristig keine Einschränkungen im Alltag hast.

 

Um diese Patienteninformation möglichst kurz zu halten, haben wir auf eine detaillierte Referenzliste verzichtet. Diese kann aber jederzeit unter info@ivrt.de angefordert werden.