Vestibuläre Erkrankung
Akustikusneurinom
Diese Informationen sind als allgemeine Einführung in dieses Thema gedacht. Da jeder Mensch anders von Gleichgewichts- und Schwindelproblemen betroffen ist, solltest du mit deinem Arzt oder deiner Ärztin sprechen, um dich individuell beraten zu lassen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet und auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Die in dieser Patienteninformation verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter.
Was ist ein Akustikusneurinom?
Ein Akustikusneurinom ist ein gutartiger (nicht- kanzerogener) Tumor des Nervus vestibulocochlearis (auch 8. Hirnnerv genannt). Er wächst normalerweise langsam. Der Nervus vestibulocochlearis überträgt Gleichgewichts- und Hörinformationen vom Innenohr zum Gehirn. Das heißt, wenn der Tumor größer wird, kann er auf der betroffenen Seite zu Hörverlust und Tinnitus, Schwindel und Gleichgewichtsstörungen führen.
Das Akustikusneurinom wird auch Vestibularisschwannom genannt.
Ein Akustikusneurinom betrifft jedes Jahr etwa 1 von 100.000 Menschen. Es tritt am häufigsten bei Menschen zwischen 30 und 60 Jahren auf, kann aber in jedem Alter auftreten.
Wenn ein Akustikusneurinom sehr groß wird, kann es den Hirnstamm und das Kleinhirn beeinträchtigen. Diese Teile des Gehirns helfen dabei, die Grundfunktionen des Körpers zu steuern, wie Atmung, Herzschlag, Schlaf, Essen und Bewegung. Das bedeutet, dass ein Akustikusneurinom in sehr seltenen Fällen lebensbedrohlich sein kann, wenn es nicht behandelt wird.
Zusammenfassung
- Ein seltener gutartiger (nicht-kanzerogener) Tumor am Nervus vestibulocochlearis, der vom Innenohr zum Gehirn verläuft.
- Er tritt am häufigsten bei 30- bis 60-Jährigen auf, kann aber in jedem Alter auftreten.
- Wächst in der Regel langsam.
- Das häufigste Erstsymptom ist ein Hörverlust auf einem Ohr.
- Weitere Symptome sind Tinnitus (Ohrgeräusche), Gleichgewichtsstörungen und Schwindel (meist zu Beginn Drehschwindelanfälle, später Schwankschwindel und Oszillopsie).
- Behandlungsmöglichkeiten sind „wait and see“ (Beobachtung), chirurgische Entfernung oder Bestrahlung des Tumors.
- Vestibuläre Rehabilitation kurz nach der Operation kann bei Schwindel und Gleichgewichtsproblemen helfen.
- In seltenen Fällen kann es lebensbedrohlich sein, wenn der Tumor sehr groß wird und nicht behandelt wird.
- Er kehrt nach der Behandlung nur selten zurück.
Wodurch wird ein Akustikusneurinom verursacht?
Ein Akustikusneurinom entsteht, wenn die Zellen, die sich um den Nervus vestibulocochlearis wickeln, unkontrolliert zu wachsen beginnen. Diese Zellen werden Schwann-Zellen genannt. Sie produzieren eine Substanz namens Myelin, die wie eine Isolierung um einen elektrischen Draht wirkt und den Nerven hilft, Informationen durch den Körper weiterzuleiten.
Die Wissenschaft glaubt, dass die Schwann-Zellen aufgrund einer Veränderung im genetischen Code (einer Mutation) auf Chromosom 22 unkontrolliert zu wachsen beginnen. Das betroffene Gen steuert das Wachstum der Schwann-Zellen.
In den meisten Fällen tritt ein Akustikusneurinom zufällig auf und der Tumor befindet sich nur in einem Ohr.
In einigen Fällen tritt das Akustikusneurinom jedoch als Teil eines Syndroms namens Neurofibromatose 2 (NF2) auf. Wenn ein Akustikusneurinom als Teil von NF2 auftritt, dann sind normalerweise Neurofibromatosen in beiden Ohren, nicht nur in einem. NF2 lässt Tumore im Gehirn und auf vielen verschiedenen Nerven wachsen, nicht nur auf dem Nervus vestibulocochlearis. Bei Menschen mit NF2 treten die ersten Symptome normalerweise im Teenageralter oder als junge Erwachsene auf. Etwa die Hälfte der Menschen mit NF2 erbt die Krankheit von einem ihrer Elternteile. Die andere Hälfte scheint spontan zu erkranken, d.h. niemand in der Familie hat die Krankheit.
Die Wissenschaft glaubt, dass die Schwann-Zellen aufgrund einer Veränderung im genetischen Code (einer Mutation) auf Chromosom 22 unkontrolliert zu wachsen beginnen. Das betroffene Gen steuert das Wachstum der Schwann-Zellen.
Ein Akustikusneurinom weist in der Regel die folgenden Symptome auf:
- Hörverlust auf einem Ohr oder asymmetrischer Hörverlust (mehr auf einem Ohr als auf dem anderen), der entweder plötzlich oder fortschreitend auftreten kann
- Tinnitus
- Koordinationsstörungen
- Schwindel (meist zu Beginn Drehschwindelanfälle, später Schwankschwindel und Oszillopsie)
- Gleichgewichtsstörungen
Viele dieser Symptome können auch durch andere Erkrankungen verursacht werden, so dass es nicht immer einfach ist, ein Akustikusneurinom zu diagnostizieren, vor allem nicht im Frühstadium. Asymmetrische Anzeichen und Symptome (mehr auf einer Seite als auf der anderen) werden jedoch oft durch ein Akustikusneurinom verursacht, so dass eine medizinische Fachkraft bei der Diagnosestellung immer ein Akustikusneurinom ausschließen möchte.
Wenn der Tumor größer wird, kann er auf andere Nerven in der Nähe drücken, z. B. auf den Nervus facialis und Nervus trigeminus. Dies kann verschiedene Probleme verursachen, z. B.:
- Taubheit, Kribbeln im Gesicht
- Schwäche oder Lähmung der Gesichtsmuskulatur
- Doppeltsehen
- Schwierigkeiten beim Schlucken oder Sprechen
Diagnose eines Akustikusneurinoms
Ein Akustikusneurinom wird in der Regel von einem Facharzt wie einem Neurologen oder einem Hals-Nasen-Ohren-Arzt diagnostiziert.
Dein Arzt wird dich über deine Symptome und deine Krankengeschichte befragen. Außerdem wird er dich gründlich körperlich und neurologisch untersuchen, einschließlich einer Untersuchung der Ohren.
Wahrscheinlich werden bei dir die folgenden diagnostischen Tests durchgeführt:
- Hör- und Gleichgewichtstests (Audiogramm, vestibuläre Funktionstests und Hirnstammreaktionen)
- Bildgebung (MRT-Scan)
Beim Auftreten von asymmetrischen Hör- und Gleichgewichtssymptomen, wird immer ein bildgebender Test angeordnet, um ein Akustikusneurinom auszuschließen. Eine MRT-Untersuchung mit Kontrastmittel (Gadolinium-Farbstoff) ist der Goldstandard für die Diagnose eines Akustikusneurinoms. Dabei können sehr kleine Tumore entdeckt werden, die ohne eine MRT mit Kontrastmittel vielleicht gar nicht bemerkt worden wären.
Behandlung des Akustikusneurinoms
Wenn das Akustikusneurinom klein ist und leichte Symptome verursacht, kann dein Arzt vorschlagen, es eine Zeit lang zu beobachten, um zu sehen, ob es wächst oder Symptome verursacht („wait and see“). Das bedeutet, dass du regelmäßig zu Nachuntersuchungen und MRTs gehen wirst. Wenn sich etwas ändert, kann dein Arzt entscheiden, dass eine Behandlung notwendig ist.
Therapieoption
Beobachtung
Wenn das Akustikusneurinom klein ist und leichte Symptome verursacht, kann dein Arzt vorschlagen, es eine Zeit lang zu beobachten, um zu sehen, ob es wächst oder Symptome verursacht („wait and see“). Das bedeutet, dass du regelmäßig zu Nachuntersuchungen und MRTs gehen wirst. Wenn sich etwas ändert, kann dein Arzt entscheiden, dass eine Behandlung notwendig ist.
Therapieoption
Operation
Wenn das Akustikusneurinom klein ist, kann es eventuell durch eine Operation entfernt werden. Wenn die Operation gut verläuft, kann sie das Gehör erhalten und andere Symptome verbessern.
Wenn das Akustikusneurinom größer ist, kann es bereits den Nervus vestibulocochlearis und andere Nerven in der Nähe beschädigt haben. Das bedeutet, dass eine Operation schwieriger sein kann oder dass sie die Symptome nicht lindern kann.
Die Operation sollte von einem Neurochirurgen durchgeführt werden, der auf die Entfernung von Akustikusneurinomen spezialisiert ist. Es gibt mehrere verschiedene Operationsmöglichkeiten. Welches Verfahren angewandt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B:
- wie groß das Akustikusneurinom ist
- welche Symptome es verursacht
- wie stark es dein Gehör beeinträchtigt
- wie erfahren der Chirurg mit dem jeweiligen Verfahren ist
Eine Operation bei einem Akustikusneurinom kann die Symptome manchmal verschlimmern, da der Nervus vestibulocochlearis und andere Nerven in der Nähe beschädigt werden können. Im Vergleich zu anderen Behandlungsmöglichkeiten ist es bei einer Operation wahrscheinlicher, dass dein Gehör und deine Gleichgewichtsfunktion dauerhaft geschädigt werden.
Therapieoption
Strahlenbehandlung
Bei der Strahlenbehandlung werden hohe Strahlendosen in einen kleinen Bereich des Körpers geleitet. Das Ziel ist es, die Tumorzellen abzutöten, ohne die gesunden Teile des Körpers in der Nähe zu schädigen. Eine Strahlenbehandlung ist oft eine gute Option für kleine, nicht bösartige Tumore wie Akustikusneurinome. Im Vergleich zu einer Operation kann sie eine bessere Option sein, um dein Gehör zu erhalten.
Eine Strahlenbehandlung kann eine Empfehlung sein, wenn:
- du lieber nicht operiert werden möchtest oder eine Operation für dich keine gute Option ist
- das Akustikusneurinom dein einziges hörendes Ohr betrifft oder du Akustikusneurinome hast, die beide Ohren betreffen
Bei der Strahlenbehandlung gibt es zwei Möglichkeiten:
- stereotaktische Radiochirurgie, d.h. eine einzige, gezielte Strahlendosis
- eine Strahlentherapie, bei der mehrere niedrigere Strahlendosen über mehrere Tage verabreicht werden
Therapieoption
Vestibuläre Rehabilitation
Die Operation eines Akustikusneurinoms kann deinen Gleichgewichtsnerv schädigen. Das kann zu Gleichgewichtsstörungen, Schwankschwindel und Oszillopsie führen. Vestibuläre Rehabilitation kurz nach der Operation kann bei diesen Problemen helfen.
Die vestibuläre Rehabilitation ist eine Übungstherapie. Ihr Ziel ist es, deinem Gehirn zu helfen, den Verlust der Gleichgewichtsfunktion auf einer Seite auszugleichen. Die vestibuläre Rehabilitation wird deinem Gehirn helfen, wieder die Gleichgewichtskontrolle zu erlernen und auf die Signale des visuellen und vestibulären Systems zu reagieren. Bei vielen Patienten geschieht dieser Ausgleich auf natürliche Weise, so dass sie keine vestibuläre Rehabilitation benötigen. Andere Patienten können jedoch weiterhin Symptome haben und daher von Übungen der vestibulären Rehabilitation profitieren. Eine Studie ergab, dass Patienten, die nach der Operation eines Akustikusneurinoms ein individuelles vestibuläres Rehabilitationsprogramm absolvierten, bei Gleichgewichtstests besser abschnitten als Patienten, die nur allgemeine Anweisungen erhielten. Ein zertifizierter IVRT® Schwindel- und Vestibular-Therapeut kann dir helfen, ein geeignetes Programm für dich zu erstellen.
Es ist sehr wichtig, dass du die Übungen schrittweise beginnst und sie langsam und stetig steigerst. Wenn du versuchst, zu schnell zu viel zu tun, kann sich dein Schwindel verschlimmern.
Therapieoption
Gesichtsmuskeltraining
In seltenen Fällen wird bei der Entfernung eines Akustikusneurinoms der Gesichtsnerv beschädigt, der von der betroffenen Seite zum Gehirn führt. Lähmungen oder ein Hängen auf einer Seite deines Gesichts sind die Folge. Das Gesichtsmuskeltraining, manchmal auch neuromuskuläre Re-Edukation genannt, nutzt die Fähigkeit deines Gehirns, sich aufgrund von Erfahrungen zu verändern und anzupassen (Neuroplastizität). Die aktive und ausdauernde Mitarbeit des Patienten ist notwendig, um das Gehirn zu trainieren, während der Nerv sich regeneriert. Die Ziele des Gesichtsmuskeltrainings sind ein symmetrischeres Gesicht, die Wiedererlangung der Kontrolle über die Muskeln, die für den Gesichtsausdruck gebraucht werden, und ein größerer Bewegungsspielraum im Gesicht. Ein Physiotherapeut oder Logopäde, der auf die Therapie der Gesichtsmuskulatur spezialisiert ist, kann dir dabei helfen, ein geeignetes Programm für dich zu entwickeln.
Es ist wichtig, die Übungen regelmäßig zu Hause zu praktizieren, damit sich die Symptome verbessern.
Wie geht es weiter?
Was du in Zukunft erwarten kannst.
Wenn du operiert oder bestrahlt wurdest, musst du regelmäßig zu Nachuntersuchungen gehen, einschließlich MRT-Scans und Hörtests, um sicherzustellen, dass sich nichts verändert hat. Es ist sehr selten, dass ein Akustikusneurinom nach der Behandlung wieder auftritt.
Viele Menschen haben auch nach der Behandlung noch Hörverlust, Tinnitus, Schwankschwindel, Oszillopsie oder andere Symptome:
- Eine Studie ergab, dass 8 Jahre nach der Behandlung eines Akustikusneurinoms noch 3 von 4 Patienten auf dem betroffenen Ohr taub waren. Bei Menschen, die bereits vor der Behandlung einen gewissen Hörverlust hatten, war die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie ihr Gehör vollständig verlieren.
- Eine andere Studie ergab, dass acht Jahre nach der Behandlung etwa 1 von 2 Patienten immer noch Schwindelsymptome hatte. Menschen, die bereits vor der Behandlung einen größeren Tumor hatten oder unter Schwindel, Kopfschmerzen oder Migräne litten, hatten ein höheres Risiko, auch später noch unter Schwindel zu leiden. Eine vestibuläre Rehabilitation kann helfen, Schwindel zu verringern.
Um diese Patienteninformation möglichst kurz zu halten, haben wir auf eine detaillierte Referenzliste verzichtet. Diese kann aber jederzeit unter info@ivrt.de angefordert werden.